Schon lange, lange ist es her, dass ich diesen Bericht an ICJA geschickt habe. Genauer gesagt sind drei Monate vergangen, seit ich diesen Bericht für's BMZ geschrieben habe. Teilen wollte ich ihn trotzdem noch mit Euch, viel Spaß!
Anna-Lena Jesse
Ecuador – weltwärts – 2014/15
Fundación Proyecto Salesiano “Unidad Educativa San Patricio”, Quito
3 Monatsbericht
Kaum zu glauben, dass ich schon drei Monate, das sind immerhin ganze 92 Tage, hier in Ecuador sein soll. So schnell ist die Zeit verflogen. An manchen Tagen sehe ich mich noch am Flughafen stehen, völlig verunsichert darüber, was das Abenteuer Ecuador mit sich bringen würde. Und obwohl die Zeit so unglaublich schnell vorbeigegangen ist, habe ich schon unfassbar viel gelernt und gesehen. Kann das wirklich alles in nur drei Monaten passiert sein?
Vor dem Antritt meines Aufenthaltes in Ecuador habe ich versucht, mir mein Jahr in Ecuador nicht kunterbunt bis ins kleinste Detail auszumalen, um nicht von zu hohen oder zu falschen Erwartungen bitter enttäuscht zu werden. Natürlich hatte ich die Erwartungen, die wohl alle angehenden Freiwilligen haben: Spanisch möglichst schnell und gut zu lernen, um überhaupt mit den einheimischen Menschen in Kontakt treten zu können, denn es gibt immer noch viele, die kaum bzw. gar kein Englisch sprechen. Mittlerweile merke ich, wie mein Spanisch Tag für Tag besser wird und ich einigermaßen tiefgehende Gespräche führen kann. Trotzdem frage ich mich noch ab und zu: was hat er grade gesagt? Ich habe gehofft, internationale Freundschaften zu schließen, selbstständiger zu werden, im Projekt gebraucht zu werden, viele neue Sachen auszuprobieren und natürlich die ecuadorianische Kultur kennenzulernen. Bei der ecuadorianischen Kultur stellt sich die Frage, was denn überhaupt die ecuadorianische Kultur sei: die des Hochlandes oder der Küste? Die der Stadt oder die des Landes oder der Indigenas? Allgemein gesagt, wollte ich etwas völlig anderes erleben.
Angekommen in Quito, meiner neuen Heimat, musste ich feststellen, dass es doch nicht so anders ist. Bis auf den ab und zu lebensgefährlichen Verkehr, den hier sehr viel ausgeprägteren Machismo und vor allem die auf der Straße arbeitenden Kinder, könnte Quito fast eine europäische Großstadt sein. Dazu kommt, dass meine Gastfamilie eher amerikanisch als typisch ecuadorianisch ist. Mir wäre es lieber gewesen, ein Jahr auf Netflix, Flachbildfernseher und Nutella zu verzichten, anstatt den ganzen Luxus aus Deutschland weiterzuleben. Allerdings werde ich bald in eine „ecuadorianischere“ Familie ziehen und dort Ecuador aus einer anderen Perspektive kennenlernen.
Während der Vorbereitung im Heimatland hat setzt man sich mit vielen verschiedenen Themen auseinander. Trotzdem finde ich, dass man sich nur bedingt auf seinen Auslandsaufenthalt vorbereiten kann, denn all die Bilder, Blogs und Erzählungen, so sehr sie mir persönlich auch geholfen haben, spiegeln nur einen winzigen Teil Ecuadors wider und auch nur dass, was für die erzählende Person wichtig scheint. Am wichtigsten ist es, sich über die historischen, sozialen, geographischen und politischen Verhältnisse des Gastlandes zu informieren, denn darauf basiert das Verhalten der dort lebenden Menschen. Der IJCA hat uns Freiwilligen schon lange im Voraus interessantes Material, das von ehemaligen Freiwilligen empfohlen wurde, per Email geschickt. Hat man das alles durchgearbeitet, hat man die wichtigsten Informationen. Was einen letztendlich im Gastland erwartet, kann jedoch auch völlig anders aussehen. Weniger vorbereitet hat mich persönlich das zehntägige Vorbereitungsseminar in Hattingen, weil dort weniger länderspezifisch als sehr allgemein über Themen wie Rassismus, Kolonialismus, usw. gearbeitet wurde.
Mein Projekt, die Unidad Educativa San Patricio (kurz: UESPA) liegt in der historischen Altstadt von Quito, genauer im Stadtteil „La Tola“. Die UESPA ist eine Einrichtung der Salesianer Don Bosco, einer römisch-katholischen Ordensgemeinschaft, die fast auf der ganzen Welt benachteiligte Kinder und Jugendliche unterstützt, indem sie ihnen den Zugang zu Schulunterricht, einer Berufsausbildung oder Freizeitbetreuung ermöglicht. Mein Projekt kümmert sich konkret um die Betreuung und Erziehung von etwa 100 Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren, die in und um Quito in sehr armen Verhältnissen leben. Besonders an der UESPA ist, dass die Kinder nicht nach Alter in die Klassen eingestuft werden, sondern nach Wissen. So ist es nicht selten, dass ein elfjähriger in die zweite Klasse geht und dort lesen und schreiben lernt. Grundsätzlich unterstütze ich die Lehrerin der zweiten Klasse bei ihrem Unterricht. Das bedeutet: Hausaufgaben kontrollieren, Unterricht vorbereiten und den Kindern, die Schwierigkeiten haben, zu helfen. Desweiteren gehören zu meinen Aufgaben, dass ich das „refrigerio“, einen Pausensnack vorbereite und verteile und den Essenssaal für das Mittagessen vorbereite. Danach gehe ich wieder in den Unterricht, bis es für die Kinder Mittagessen gibt. Währenddessen helfe ich den Lehrern dabei, das Essen an die Kinder zu verteilen. Später gibt es für die Lehrer, Streetworker und Freiwilligen aller Salesianer-Projekte in Quito Mittagessen, was immer superlustig ist. Nachmittags haben die Kinder Clubs wie Marimba, Tanz oder Zirkus. Zum Abschluss jedes Tages gibt es nochmals ein refrigerio. Jeden Mittwoch gehe ich mit der Sozialarbeiterin der UESPA Familien besuchen, um besser verstehen zu können warum sich die Kinder wie verhalten und bestehende Probleme mit den Eltern zu besprechen.
Zuerst war die Sprachbarriere riesig. Spanisch verstanden habe ich einigermaßen, aber an das Spanisch „von der Straße“ musste ich mich erst gewöhnen. Das haben die Kinder natürlich ausgenutzt und sind mir erst mal auf der Nase rumgetanzt. Ungewohnt war es, permanent im Imperativ reden zu müssen, weil die Kinder einen sonst nicht ernst nehmen. Respekt kennen sie kaum, den muss man sich in ihrem Umfeld meist durch Gewalt oder harte Strafen verschaffen. Mittlerweile gibt es aber einige Kinder, zu denen ich ein fast freundschaftliches Verhältnis führe. Auch der Start in meinem Projekt war verhältnismäßig schwierig, weil jeder so sehr mit sich selbst beschäftigt war und demnach keine Zeit hatte mir zu erklären, was meine Aufgaben sind. Das habe ich nach und nach selbst rausfinden müssen. In Deutschland hatte ich noch keine großartigen Vorstellungen, was ich in meinem Projekt erreichen wollen würde, da ich nur wusste, dass ich in einer Schule für Straßenkinder arbeiten würde. Ich hoffe, dass ich der Lehrerin eine Hilfe sein kann und dass die Kinder mit Lernschwierigkeiten durch die Einzelarbeit mit mir die Klasse schaffen. Zudem habe ich einige kleine Ideen umgesetzt: einen Fitnesskurs und an Weihnachten wird es Kinderpunsch als Getränk fürs refrigerio geben. Backen mit den Kindern und ein Kinoabend sind schon in Planung. Zusammen mit den anderen Salesianer-Freiwilligen kommen ständig tolle Ideen auf, die wir umzusetzen versuchen, so gut es geht.
Aber woher kommen diese Erwartungen, mit denen wir unser Heimatland verlassen? In den deutschen Medien wird relativ wenig über Ecuador berichtet und wenn, dann über katastrophale Autounfälle oder die Zerstörung der einzigartigen Natur durch internationale Ölfirmen. Lebt man in Ecuador, dann merkt man, was Deutschland zu bieten hat. Sozialleistungen und eine flächendeckende Krankenversicherung sucht man hier vergeblich. Viele Menschen, vor allem auf dem Land, leben immer noch in Hütten aus alten Holzbrettern mit Wellblechdach und sind staatlich nicht registriert. Direkt nebenan sieht man in Quito die teuersten Autos durch völlig überfüllte Straßen fahren und spaziert durch Einkaufszentren, in denen von Gucci über Armani alles geboten ist.
Mit genügend Geld kann man hier sehr europäisch leben und findet im Supermarkt Spezialitäten aus aller Welt. Das hat mich am allermeisten überrascht! Ecuador als Entwicklungsland hätte ich mir völlig anders vorgestellt. Es ist vielseitig und hat von allem etwas zu bieten, was auch schon Humboldt bemerkte (obwohl er es damals auf Ecuadors einzigartige Natur bezog).
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fitnessbekleidung (Donnerstag, 21 Mai 2015 10:51)
Hallo schönen Beitrag von euch geschrieben. Es ist erstaunlich und wunderbar, um Ihre Website zu besuchen. Vielen Dank, dass eine Tonne für so ein schönes Post.